Dieser Artikel soll eine Einführung in das Thema sein und er beansprucht keine absolute Vollständigkeit oder Fehlerfreiheit. Wir arbeiten nun seit 2010 in diesem Bereich und sind nicht zuletzt aufgrund unsere familiären Verbindungen zu den Berbern, sondern auch aufgrund der Liebe zu dem was wir tun, tief in die Materie eingetaucht. Dieser Artikel ist daher natürlich auch aus unserer ganz persönlichen Erfahrung und Recherche heraus entstanden. Wir möchten euch in erster Linie einfach mitnehmen und euch ein tieferes Verständnis davon mitgeben, was genau ein Beni Ourain ist, woher er stammt und wie er traditionell hergestellt wird, bzw. hergestellt werden sollte. Denn mit einer einfachen Gegenüberstellung zu einem synthetischen Fake-Beni Ourain ist es unserer Meinung nach hier noch nicht getan. Auch ein ungeschultes Auge erkennt hier schnell den Unterschied. Es ist also nicht so schwer, einen, im pauschalen Sinne „marokkanischen Wollteppich“ von einem synthetischen Teppich zu unterscheiden. Darum sollte es aber auch tatsächlich nicht gehen.
Einen originalen Beni Ourain erkennt man an der Handarbeit und der echten Schafwolle. Richtig?
Ja und nein! Grundsätzlich ist diese Aussage einfach zu pauschal. Nicht selten sehen wir bei Gegenüberstellungen von einem vermeintlichen Original zu einer synthetischen Nachahmung, welche "Made in China" oder "Made in India“ ist, das eben das angeblich abgebildete "Original" selbst eine Nachahmung ist. Der Unterschied ist feiner und braucht etwas Hintergrundwissen. Dafür möchten wir etwas ausholen und erklären warum es aus Marokko selbst so viele Nachahmungen des Originals gibt.
Nachdem der Beni Ourain vor einigen Jahren schon ein Revival erhielt und ziemlich plötzlich in allen vorhandenen Social Media Kanälen und Zeitschriften auftauchte, schoss natürlich auch die Nachfrage in unglaubliche Höhen, denn es ist und bleibt ja nun einmal ein wunderschöner Teppich. Da der originale und ursprüngliche Beni Ourain aber nur aus einer, nicht übermäßig großen, Region im Mittleren Atlas etwas weiter im Norden stammt, kann damit folglich auch kaum diese hohe Nachfrage gedeckt werden. Man fing also ziemlich schnell an, den Beni Ourain auch in anderen Regionen zu produzieren und stampfte hier und da auch weiter im Landesinneren größere Webereien aus dem Boden.
Die unterschiedlichen Techniken und ihre Regionen
Wichtig ist hier nun zu wissen, dass jede Region und damit auch die unterschiedlichen Berberstämme die sich dort niedergelassen haben, ganz unterschiedliche Techniken verwenden bei der Herstellung der Teppiche. So sieht man heutzutage gerne mal einen sogenannten „Beni Ourain“ mit der Knotentechnik aus der Region Mrirt, aus welcher eigentlich der schöne Amazigh Teppich „Beni Mrirt“ stammt oder gar ein „Beni Ourain“ mit derselben Knotentechnik wie bei den oft bunten Azilal-Teppichen. Die Knotentechnik der Mrirt ist etwas dichter, mit etwas weniger gewebten Reihen als beim Beni Ourain, während der typische und originale Azilal Teppich nur über eine einfache Knoten-Technik (nicht über einen doppelten Knoten) verfügt, sowie aufgrund des deutlich kürzeren Flors, auch (in der Regel) etwas dichter geknüpft ist.
Die Techniken der Teppichherstellung haben sich tief in die Regionen eingegraben, selbst wenn die Stämme mittlerweile im ganzen Land verteilt leben, so sind ihre Techniken in den einzelnen Regionen noch immer tief verankert. Ein Beni Ourain verfügt z.B. über einen doppelten Knoten, sowie sehr ordentliche, rundliche und fein aufgereihte Knoten.
Dass z.B., wie oft geschrieben, die Unregelmäßigkeit der Knoten daher ein Indiz für seine Originalität ist, ist also komplett falsch. In der traditionellen Herstellung zuhause innerhalb der Berberfamilien, ist noch sehr viel Zeit, unglaubliches Geschick und Ruhe vorhanden. Die Frauen arbeiten nicht nach einem bestimmten Stundensatz, sondern immer dann, wenn die Familie versorgt und die Schafe draußen sind. Erst dann wird an dem Teppich gearbeitet, solange bis dieses besondere Stück Handarbeit fertigt ist.
Im folgenden ein Beispiel: links im Bild ein Teppich einer Kundin, die sich hilfesuchend an uns gewendet hatte, nachdem sie etliche Probleme mit der Qualität des Teppichs hatte (stark vergraut, Flecken, unschöne Oberfläche, extrem starkes Fusseln). Den Teppich hatte sie sich aus Marokko mitgebracht, nun aber keine Freude mehr daran. Rechts im Bild einer unserer Teppiche aus der traditionellen Herstellung.
Die Frauen die in großen Webereien arbeiten, werden meistens pro qm bezahlt und das zu sehr schlechten Konditionen. Sie sind also gezwungen in einem unglaublich hohen Tempo zu arbeiten, welches nicht selten dazu führt, dass die Knoten unglaublich fest und sehr unregelmäßig gearbeitet sind (genau wie oben im Vergleichs-Bild zu sehen ist). Die Handarbeit kann man bei einem Original eher an anderer Stelle feststellen. So hat das Muster gelegentlich kleine Unregelmäßigkeiten, denn beim Knüpfen kann man sich hier und da schon einmal etwas verschätzen, eine Maschine tut dies nicht. Auch die einzelnen Florfäden sind nicht immer exakt auf einer Länge, denn diese werden nur von Hand gestutzt und nicht maschinell, wobei Maschinen auch in Marokko nur selten Anwendung finden. Sie ergeben damit am Ende genau das typische, durchaus homogene Bild, über welches der Teppich verfügt sobald er sich etwas gelegt hat.
Die Wollqualität
Die Wollqualität ist ein weiteres sehr deutliches Indiz für die Originalität eines Beni Ourains. Auch hier ist es natürlich nicht einfach damit getan, zwischen synthetischer Faser und echter Schafwolle zu unterscheiden, sondern zu verstehen, welchen Einfluss die traditionelle Verarbeitung auf die Wolle hat. Während in einer Weberei maschinenverarbeitete Wolle in großem Stil dazugekauft wird, kommt die Wolle in der traditionellen Fertigung noch aus der eigenen Familie oder wird bei Bedarf auf regionalen Märkten dazu gekauft. Nicht selten ist die Wolle von der Maschine nicht ganz so optimal gereinigt worden, daher noch extrem Gelb, was erfordert dass hier noch einmal mit chemischen Mitteln gebleicht wird. Manchmal wird aber auch schon während der maschinellen Reinigung mit chemischen Mitteln gearbeitet. Die Folge ist in beiden Fällen erst einmal eine wunderbar weiße Wolle. Im besten Fall vergraut diese Wolle nach nur wenigen Wochen, nimmt also aufgrund der fehlenden Schutzschicht aus Wollfett sehr viel Schmutz auf. Im schlechtesten Fall zerfällt so ein Teppich bei einer der nächsten Reinigungen. Auch ist die Wollhaptik meistens etwas rauh oder fühlt sich "hart" an und es finden sich noch sehr viele Fremdpartikel in der Wolle. Nicht selten mischt sich dem Wollgeruch ein leicht chemischer Geruch bei. All diese Techniken sind in der traditionellen Fertigung natürlich nicht bekannt, die Wolle wird so oft von Hand gereinigt bis sie sauber ist.
Ein echter Beni Ourain sollte daher über einen natürlichen, aber sauberen Wollton verfügen, weder zu weiß noch zu gelb. Sie sollte weich und nicht kratzig sein, da der Schutzfilm der natürlichen Schurwolle noch vorhanden ist. Feine Unterschiede sind aufgrund des Naturmaterials und der Handarbeit natürlich verständlich. Baumwolle findet sich eigentlich nie in einem originalen Beni Ourain.
Die hohe Knotendichte ist ein Qualitätsmerkmal! Richtig?
Nein, tatsächlich eher nicht oder nicht ausschließlich. Die Knotenzahl bzw. die Kontendichte (und Optik der Knoten) ist eher ein Hinweis auf die Region aus der er stammt. Da es sich nicht um die klassischen Berber handelt (wie sie vor allem seit den 60er bis heute noch für den Export hergestellt wurden und werden), sondern um den ursprünglichen Teppich der Berberstämme, wird hier in der Regel nicht in Knoten "gedacht". Für den Export und der Wahrung einer gewissen Qualität war es erforderlich dass solche Webereien eben bestimmte Knoten-Standards festlegen. Diese Einteilung gibt es bei den Berberstämmen aber nicht und war auch so nie bekannt.
Der Beni Ourain verfügt in der Herstellungsart über eine Mischtechnik, er ist also von Grund auf schon so konzipiert, dass er immer wieder einige gewebte Reihen und dann erst wieder geknüpfte Reihen aufweist. So entsteht der typische Charakter der Beni Ourain, der Flor ist etwas länger (im Schnitt 1,5-2,5cm), damit er sich mit der Zeit legen kann. Es ist also nicht so ein dicht geknüpfter Berber mit stehendem Flor, wie man das von den Berbern kennt, die speziell für den ausländischen Markt gefertigt werden, bei diesen wäre dann die Knotenzahl durchaus ein Qualitätsmerkmal. Auch Beni Mrirt und Azilal Teppiche sind, wie oben schon erwähnt, etwas dichter geknüpft (Beni Mrirt zwischen 17.000-22.000 Knoten pro qm). Es ist also kein Qualitätsmerkmal in diesem Sinne, sondern auf die unterschiedlichen Techniken der Stämme zurück zu führen.
Der Beni Ourains hat in der Regel eine Knotendichte von 14.000-18.000 Knoten pro qm. Durch die Mischtechnik und den etwas längeren Flor, entsteht aber ein sehr dichtes Gewebe. So haben die Teppiche eine ca. Dicke von 2-2,5cm, sind in sich aufgrund der Mischtechnik aber sehr weich und wie eine sehr dicke, schwere Decke. Wenn sich der Teppich gelegt hat, kann die Dicke etwa 1,5-2 cm betragen. Fällt die Knotenzahl in seltenen Fällen unter ein bestimmtes Minimum, kann man davon ausgehen, dass einfach wenig Wolle vorhanden war. Dennoch handelt es sich um ein Original, was dann aufgrund der geringeren Wollmenge etwas günstiger eingestuft werden kann.
Hier endet der erste Teil zur Herstellung und Originalität der Beni Ourain, er soll euch einen ersten Einblick in die noch traditionelle und authentische Herstellung geben. Wenn euch bestimmte Punkte genauer interessieren oder etwas noch unklar ist, freuen wir uns auf einen Austausch in den Kommentaren oder kontaktiert und über info@touda.de oder unsere Kontaktformular. Wir hoffen, dass wir mit einigen Mythen aufräumen konnten, in jedem Fall lohnt es sich in ein Original zu investieren, wir können die faire Bezahlung der Familien durch die enge Beziehung sicherstellen und unterstützen so auch nachhaltig das alte Kunsthandwerk.
Ihr möchtet gerne mehr über die Herstellung der Beni Ourain lesen? Hier finden ihr einen ausführlichen Artikel dazu.
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Sarah & Soufiane von Touda Concept